Gütesiegel und Zertifizierungen können dazu beitragen, touristische Angebote zu verbessern. Doch nicht alle sind noch bekannt und gefragt
Es gibt Schmeck-den-Süden-Löwen für Wirte und Sterne für Hotels, Wellnessangebote und Radwege. Gäste können in Häusern übernachten, die ein Label von „Bett+Bike“ und das Q der „ServiceQualität Deutschland“ tragen. Vielleicht ist der Betrieb außerdem von Tourcert, „Reisen für Alle“ oder nach dem europäischen Umweltmanagementsystem EMAS zertifiziert.
Je nachdem, wie Kriterien formuliert und kontrolliert werden, kann eine Zertifizierung Impulse geben und dazu beitragen, die Qualität zu verbessern und ein verlässliches Niveau zu halten. Allerdings steigt die Zahl der Zertifikate, es wird für Betriebe immer schwieriger zu entscheiden, welche sich lohnen. Hinzu kommen der bürokratische Aufwand, Dokumentationspflichten und einiges mehr, was die Akzeptanz so manches Siegels schwinden lässt.
Zusätzlich wird es auch für die Gäste immer unübersichtlicher. Dabei boomen insbesondere die Gütesiegel für Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit. Das Bayerische Zentrum für Tourismus spricht von 150 bis 200 Siegeln und Zertifikaten im Tourismus, und das europäische Netzwerk Ecotrans listet auf seiner Informationsplattform Destinet allein 35 empfehlenswerte Labels auf.
Genannt ist dort auch Tourcert, eine gemeinnützige Gesellschaft mit Sitz in Stuttgart, die zunächst Hotels und Reiseveranstalter betreute. Wolfgang Strasdas, Professor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde, gehört zum Zertifizierungsrat und hat für Tourcert die erste Destinationszertifizierung in Baden-Württemberg 2014/15 geleitet. „Bei Tourcert geht es weniger darum, fest definierte Mindestkriterien zu erfüllen“, erklärt Strasdas, „sondern darum, Prozesse in Richtung Nachhaltigkeit planmäßig umzusetzen.“
Vor einigen Jahren hat der Wissenschaftler die Wirkung von Tourcert und anderen Nachhaltigkeits-Zertifikaten untersucht: Demnach bestätigten die Befragten, dass es den Betrieb vorangebracht und interne Prozesse verbessert habe. „Wesentliche Buchungszuwächse gibt es dadurch aber nicht“, erklärt Strasdas. Im Bereich Geschäftsreise und MICE seien Nachhaltigkeitszertifikate hingegen ein Wettbewerbsvorteil. Deren Glaubwürdigkeit ist Thema einer Studie fürs Umweltbundesamt, an der Strasdas aktuell beteiligt ist: „Mittelfristig sollen nämlich auch Bundesangestellte nur noch in zertifizierten Hotels übernachten dürfen.“
Umweltlabels haben ebenso an Bedeutung gewonnen wie „Reisen für Alle“, das Label für barrierefreie Angebote. Das zeigt eine 2022 vom Deutschen Tourismusverband (DTV) veröffentlichte Studie (siehe Kasten). Demnach ist die Zahl der ADAC-klassifizierten Campingplätze stabil, wohingegen immer weniger Hotels sich nach den Dehoga-Sternen klassifizieren lassen. Allerdings liegt die Bekanntheit von Qualitätsinitiativen auch deutlich unter der von Bewertungs- und Buchungsportalen, wie eine Befragung von über tausend Urlauberinnen und Urlaubern für die DTV-Studie ergeben hat.
DTV-Studie: Die Studie mit dem Titel „Kleine und mittelständische Unternehmen resilient und zukunftsfähig aufstellen mit Hilfe von Qualitätsinitiativen/-management – Abschlussbericht Lift Wissen“ wurde von der dwif-Consulting verfasst und vom Deutschen Tourismusverband (DTV) im Januar 2022 herausgegeben. Für die Studie wurden über tausend Menschen befragt, die in den vergangenen Jahren einen Deutschlandurlaub unternommen haben oder in den nächsten Jahren planen. Rund 91 Prozent kannten mindestens eines der 23 bei der Befragung genannten Bewertungs- und Buchungsportale, nur 70 Prozent hingegen war eine der 21 genannten Qualitätsinitiativen bekannt.
Die Studie kam allerdings zur Einschätzung, dass zertifizierte und klassifizierte Betriebe besser mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie umgehen konnten. Als einer der Gründe wird darin genannt, dass diese Unternehmen oft besser informiert waren durch ihre Qualitätsinitiative. Ein Teil von ihnen hatte sich auch mit Fragen zu Prozessänderungen auseinandergesetzt und sie waren es gewohnt, eigene, neue Lösungsansätze zu finden.
Die Studie gibt’s als Download auf der Website des Deutschen Tourismusverbands
Nachhaltigkeitslabels: Ecotrans hat 2023 gemeinsam mit Fairunterwegs, Tourism Watch und Naturfreunde Internationale einen „Wegweiser durch den Labeldschungel“ für nachhaltigen Tourismus veröffentlicht.
Viele Gäste verlassen sich mehr auf Bewertungen anderer Reisender auf Online-Portalen als auf Sterne und andere Gütesiegel. Nicht nur aus diesem Grund sollten Betriebe Gästebewertungen als wichtigen Baustein im Qualitätsmanagement betrachten. Doch trotz sinkender Bekanntheit scheinen Reisende die Wirkung der Zertifikate im Betrieb zu spüren: Laut DTV-Studie erhalten jedenfalls zertifizierte und klassifizierte Betriebe bessere Bewertungen in Online-Portalen. Ihr sogenannter „TrustScore“ für Gästezufriedenheit lag 2022 um 3,7 Punkte über den nicht zertifizierten Betrieben.
Das Zertifikat selbst beschert nicht automatisch mehr Zulauf, wobei es natürlich immer Ausnahmen gibt wie die prädikatisierten Wanderwege. „Unsere Gäste orientieren sich gerne an den Premiumwanderwegen, da sie sicher sein können, dass diese Wege gut gepflegt und mit der Erfüllung der Kriterien qualitativ gut aufgestellt sind“, sagt Jutta Ulrich, Pressesprecherin der Schwarzwald Tourismus GmbH.
Es kann aber für ein Hotel auch Gründe geben, gar keine Sterne zu wollen. Das vielfach ausgezeichnete Design-Hotel Liberty in Offenburg zum Beispiel. „Wir sind ein kleines, denkmalgeschütztes Haus mit 38 Zimmern“, erklärt Manager Christian Henninger. Für eine Fünf-Sterne-Klassifizierung bräuchte es einen eigenen Wellnessbereich, doch der würde viel zu viel Platz beanspruchen. „Es gibt allerdings auch Firmen, die ihren Mitarbeitern vorschreiben, dass sie nicht in Fünf-Sterne-Hotels übernachten oder tagen dürfen“, sagt Henninger, „da sind wir dann im Vorteil.“
Eine Auswahl relevanter Gütesiegel und Zertifikate aus verschiedenen Bereichen wie zum Beispiel die „Wellness Stars“, „familien-ferien in Baden-Württemberg“, „Schmeck den Süden“ und „ServiceQualität Deutschland“ gibt es im Tourismusnetzwerk.
Mehr erfahren