Seit Januar führt Christine Schönhuber als Geschäftsführerin die TMBW. Im Interview spricht sie über ihre Rückkehr nach Baden-Württemberg, Erfahrungen aus Österreich und über Potenziale und Chancen für die Tourismusbranche im Süden
Kompetenzzentrum:
Den eingeschlagenen Weg der TMBW als Dienstleisterin für die Tourismusbranche möchte Christine Schönhuber fortführen.
Vernetzung:
Der Dialog innerhalb der Tourismusbranche und der Austausch mit anderen Akteuren rücken weiter in den Fokus.
Change und Innovation:
Mit einer mutigen Haltung und einem positiven Mindset möchte Schönhuber Offenheit für Neues und Begeisterung für Wandel fördern.
Frau Schönhuber, knapp drei Jahre waren Sie Geschäftsführerin der Tourismus Salzburg GmbH, nun sind Sie zu Beginn des Jahres an Ihre alte Wirkungsstätte zurückgekehrt. Wie war das Wiedersehen in neuer Rolle?
Für mich war es vor allem eine Heimkehr. Die Tourismusfamilie hat mich überaus herzlich willkommen geheißen und nach dem Wiedersehen mit so vielen geschätzten Kolleginnen und Kollegen habe ich mich gleich wieder zuhause gefühlt.
Allerdings möchte ich die Zeit in Österreich nicht missen. Das Land ist eine gute Schule für eine Tourismusmanagerin. Dort habe ich insgesamt zehn Jahre meiner beruflichen Laufbahn verbracht und zuletzt in Salzburg noch mal viel lernen dürfen und wertvolle Erfahrungen gesammelt, die ich nun mit zurückbringe. Denn bei aller Begeisterung für unser Nachbarland: Die Chance, das Urlaubsland Baden-Württemberg federführend weiterentwickeln zu dürfen, musste ich einfach ergreifen.
Sie sprechen schon an, dass Sie viel aus Ihrer Zeit in Salzburg mitnehmen konnten. Welche Erkenntnisse haben Sie dort gewonnen?
In Österreich hat der Tourismus einen ganz anderen Stellenwert und vor allem eine sehr starke Lobby. Bei der Stärkung des Tourismusbewusstseins können wir uns da noch einiges abschauen. Denn auch bei uns in Baden-Württemberg hat die Tourismusbranche eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Doch anders als in Österreich ist das hier im öffentlichen Bewusstsein noch nicht überall angekommen. Wir dürfen als Branche noch deutlich selbstsicherer auftreten. Das bleibt eine wichtige Aufgabe für die kommenden Jahre.
Aber natürlich gibt es auch in Österreich viele Herausforderungen. Gerade beim Thema Overtourism lässt sich dort beobachten, wie schnell die Akzeptanz der örtlichen Bevölkerung schwinden kann. Davon sind wir in Baden-Württemberg zum Glück sehr weit entfernt.
In Baden-Württemberg ist der Tourismus so etwas wie ein Hidden Champion. Die Branche ist wahnsinnig erfolgreich und bietet sehr vielen Menschen Arbeit.
Was hat Sie darüber hinaus an der Rückkehr in Deutschlands Süden gereizt?
Mehr als 370.000 Menschen im Land leben vom Tourismus, die Branche erwirtschaftet Umsätze in Höhe von rund 26 Milliarden Euro im Jahr. Und dennoch stehen wir im Schatten von Automobilindustrie oder Maschinenbau. Ich finde es sehr reizvoll, den Tourismus noch sichtbarer zu machen. Zum einen bei den Menschen und Entscheidungsträgern im eigenen Land. Aber auch bei potenziellen Gästen in aller Welt.
Wo steckt denn noch ungenutztes Potenzial?
Was uns ausmacht, ist die besondere Mischung aus weltbekannten Destinationen wie dem Schwarzwald oder Heidelberg und den vielen noch weniger bekannten Regionen und Städten.
In dieser Kombination steckt sehr viel Potenzial. Die große Strahlkraft der bekannten Destinationen hilft uns im Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Mit den weniger bekannten können wir die Sehnsucht nach neuen Entdeckungen bedienen. Beides zusammen macht uns unschlagbar.
Lassen Sie uns in die Zukunft schauen: Welche Pläne haben Sie für das Urlaubsland Baden-Württemberg und für die TMBW? Welche Akzente möchten Sie setzen?
Eine wichtige Weichenstellung der letzten Jahre war der Umbau der TMBW von einer reinen Marketinggesellschaft zu einer Destinationsmanagementorganisation. Diesen Weg möchte ich gemeinsam mit meinem Team weiterführen. Unsere Rolle als Dienstleisterin und Kompetenzzentrum für die Tourismusbranche im Land wird in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Das bleibt ein überaus spannender Prozess, auf den ich mich sehr freue.
Mit der Landestourismuskonzeption und unserer Strategie 2030 sind die wichtigsten Eckpfeiler gesetzt, die den Rahmen unserer Arbeit bilden. Ihre Umsetzung ist in vollem Gange und wird mit großer Leidenschaft von den vielen Expertinnen und Experten bei der TMBW vorangetrieben.
Doch natürlich möchte ich eigene Schwerpunkte und Akzente setzen. Neben dem weiteren Ausbau der TMBW zum Kompetenzzentrum sehe ich als Leitmotiv vor allem zwei weitere Themen: zum einen Vernetzung, zum anderen Change und Innovation.
Wie möchten Sie die Vernetzung im Urlaubsland Baden-Württemberg weiter fördern?
Ich bin in den letzten Monaten sehr viel durchs Land gereist, habe Destinationen, Verbände und Betriebe besucht und habe vor allem zugehört, was die Tourismusschaffenden bewegt. Dieser unmittelbare Austausch, der Dialog mit unseren Partnern ist unersetzlich, wenn wir gemeinsam etwas voranbringen wollen.
Neben meinen individuellen Gesprächen möchte ich die Vernetzung im Land aber auch institutionell ausbauen. Wir haben bereits wunderbare B2B-Formate und Veranstaltungen. Dort wird Fachwissen geteilt, über künftige Projekte nachgedacht und die Zukunft des Tourismus diskutiert. Diesen Austausch möchte ich in den kommenden Jahren intensivieren. Und dabei gezielt auch den Dialog mit anderen Branchen und Stakeholdern suchen. Denn der Tourismus ist bekanntlich eine Querschnittsbranche und lebt von der Vernetzung in alle Richtungen. Ich denke da etwa an Synergien mit anderen Landesorganisationen und an branchenfremde Kollaborationen. So können wir als Tourismusbranche in diesem industriell geprägten Bundesland noch viel sichtbarer werden.
Als weiteren Schwerpunkt haben Sie Change und Innovation genannt. Wir erleben gerade in vielerlei Hinsicht disruptive Veränderungen. Wo genau möchten Sie ansetzen?
Der Tourismus erlebt gerade einen Wandel wie vielleicht noch nie zuvor. Daraus entstehen Herausforderungen und gleichzeitig viele Chancen. Nehmen wir etwa die technologische Transformation unserer Branche, die Themen Datenmanagement und künstliche Intelligenz. Hier wollen wir Vorreiter sein, aber auch nicht jedem einzelnen Trend hinterherlaufen.
Entscheidend ist für mich beim Thema Innovation das richtige Mindset. Neue Ideen entstehen nur dann, wenn wir Wandel als Chance begreifen, nicht als Bedrohung. Dazu gehört auch eine gesunde Fehlerkultur. Wer mutig ist, darf auch mal scheitern. Beim nächsten Versuch klappt es dann ganz gewiss. Eine solche innovationsfreundliche Kultur möchte ich fördern, innerhalb der TMBW genauso wie im ganzen Land.
Der Wechsel in der Geschäftsführung ist nicht die einzige große Neuerung bei der TMBW in diesem Jahr. Mit dem Umzug ins Haus des Tourismus gab es auch eine große räumliche Veränderung. Wie prägt dieses neue Umfeld die Arbeit der TMBW?
Das Haus des Tourismus ist ein großartiger und inspirierender Ort, den wir nun gemeinsam mit der Stuttgart-Marketing GmbH nach und nach mit Leben füllen. Unter der Federführung von Armin Dellnitz und seinem Team entstand hier eine moderne Begegnungsstätte mit öffentlichen Flächen und zeitgemäßen Büroräumen. Wir werden gemeinsam diesen Ort nutzen, um den Tourismus im Zentrum der Landeshauptstadt, mitten am Marktplatz, für die Bevölkerung noch sichtbarer zu machen und damit die Akzeptanz unserer Branche zu fördern.
Das Haus des Tourismus ist aber nicht nur ein beeindruckendes Gebäude, sondern vor allem ein Ort, der für agiles, kreatives und neues Arbeiten steht. New Work soll hier mit Leben gefüllt werden. Ich bin mir sicher, dass diese neue Umgebung es uns leicht machen wird, neu zu denken und gemeinsam Ideen und Innovationen zu entwickeln.
Um Veränderung – „Change“ – geht es auch beim diesjährigen TMBW-Tourismustag. Mit zwei großen beruflichen Veränderungen in den letzten Jahren scheinen Sie persönlich dem Thema Change gegenüber sehr aufgeschlossen zu sein.
Ich habe Veränderungen tatsächlich immer als eine Chance begriffen. Leben heißt, den Wandel zu begrüßen und offen für Neues zu sein. Wer bereit ist für Veränderung, bleibt in Bewegung. Wer mutig ist, erlebt ganz sicher keine Langeweile. Das gilt für jeden Einzelnen genauso wie für unsere Branche. Und ich wünsche mir, dass ich mit dieser Haltung und mit dieser Zuversicht auch andere Menschen begeistern kann.
Was macht Ihnen Mut, wenn Sie auf die Zukunft des Tourismus in Baden-Württemberg schauen?
Reisen genießt bei den Menschen nach wie vor höchste Priorität. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten möchten die allermeisten nicht auf ihre Urlaubsreise oder den Tagesausflug verzichten. Die Nachfrage ist also weiterhin groß, das unterscheidet uns momentan grundlegend von vielen anderen Branchen. Ist das nicht ein Grund, mutig und zuversichtlich zu sein?
Auch das Angebot stimmt. Baden-Württemberg ist ein überaus attraktives Reiseziel, das bei Gästen aus dem In- und Ausland beliebt ist. Wir haben fast alles zu bieten, was Urlaubsgäste suchen: von intakten Naturlandschaften über ein breites Kulturerbe bis zu unseren lebendigen Städten. Noch dazu ein gastronomisches und kulinarisches Angebot von Weltrang, das uns kaum jemand nachmacht.
Wir haben also die besten Voraussetzungen, um die Nachfrage nach Urlaub und Reisen auch in Zukunft erfolgreich zu bedienen.
Und dann sind da noch die vielen klugen Köpfe, die unser Land und unsere Branche so einzigartig machen. Vom kreativen Küchenchef bis zur findigen Tourismusmanagerin, die vor Ort ihre Destination voranbringt. Es ist vor allem die Zusammenarbeit mit diesen wunderbaren Menschen, auf die ich mich besonders freue. Wir können stolz auf unser Bundesland sein und dies noch viel lauter nach außen tragen.
Im Tourismusnetzwerk Baden-Württemberg stellen sich alle Mitarbeitenden persönlich vor.