
Handlungsfeld 1
mehr erfahrenAn besonders warmen Tagen steht Dr. Bettina Joa früh auf. Bevor die Sonne über den Hügeln des Freiburger Umlands steht, ist sie unterwegs in die Bergregionen – dorthin, wo die Luft noch frisch ist und der Wald nach Harz riecht. „Hier oben war es früher viel kühler“, sagt sie. „Heute merkt man die Hitze schon am Vormittag.“
Für Joa ist das keine beiläufige Beobachtung, sondern Arbeitsalltag: Als Klimaanpassungsmanagerin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald beobachtet sie, wie sich Landschaften verändern – und wie Regionen lernen, darauf zu reagieren.
Der Landkreis reicht vom heißen Oberrheingraben bis zum kühlen Feldberg. „Wir erleben inzwischen alle Extreme zugleich“, sagt Joa. „Unten Hitze und Trockenheit, oben Starkregen und Schneemangel.“ Der Klimawandel sei längst kein Zukunftsthema mehr, sondern gelebte Realität. Und er betreffe den Tourismus besonders unmittelbar – dort, wo Menschen draußen unterwegs sind und die Qualität des Aufenthalts von Schatten, Wasser und Landschaft abhängt.
Gemeinsam mit dem Naturpark Südschwarzwald arbeitet Dr. Thomas Coch, Geschäftsführer der Ferienregion Münstertal Staufen, an einem neuen Umgang mit dieser veränderten Landschaft. „Der Wald ist Erholungsraum, aber auch Lebensraum“, sagt er. „Wenn er leidet, leidet der Tourismus mit.“
Schon jetzt suchen an heißen Tagen mehr Menschen die schattigen Wälder auf. Spaziergänge verlagern sich von sonnigen Höhenwegen in kühle Täler. Doch wo Erholung gesucht wird, gerät die Natur unter Druck.

Klimaanpassung bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Vorsorge ist besser als Nachsorge.
Deshalb beteiligt sich die Region an der Initiative „bewusstWild“ – einer Bewegung, die Schutz und Nutzung neu ausbalanciert. Sie sensibilisiert Gäste für Rückzugsräume, erklärt, warum Bäche, Moore oder Wildruhegebiete nicht betreten werden sollten, und schafft Verständnis für die Mitwelt. „Früher hat man einfach Schilder aufgestellt“, sagt Coch. „Heute muss man Menschen gewinnen, nicht belehren.“ So entstehen neue Pfade, die Freizeit und Naturschutz verbinden – Wanderwege im Schatten, Themenpfade im Wald, Gebiete, die bewusst frei bleiben. „Wir lernen mit der Landschaft“, sagt Coch. „Und wir wollen, dass auch unsere Gäste das tun.“
Der Schwarzwald wird so zum Experimentierraum für eine neue Art des Tourismus – einen, der nicht auf Wachstum, sondern auf Anpassung setzt.
Ein paar Kilometer weiter unten im Tal empfängt Angélique Schmitt ihre Gäste im Gästehaus Meng in Bad Krozingen. Zwischen Weinreben und Kurpark liegt das Haus im Schatten hoher Bambusbäume. „Früher hatten wir einzelne heiße Tage“, sagt sie. „Heute ganze Wochen.“ Die Sommer seien intensiver geworden, die Nachfrage nach Schatten gestiegen.
Das Gebäude stammt aus den 1950er-Jahren, eine Klimaanlage wäre energetisch und wirtschaftlich kaum vertretbar. Schmitt reagiert pragmatisch: Morgens lüften, tagsüber Rollläden schließen, Ventilatoren in jedem Zimmer. Teppichböden wurden durch Parkett ersetzt, in der Gästeküche stehen kühle Getränke bereit. Die meisten Maßnahmen kosten kaum etwas.
Im Landkreis wurde der Hitzeschutzleitfaden entwickelt – eine praxisnahe Handreichung für Betriebe, Gemeinden und Touristische Leistungsträger. Angélique Schmitt war von Anfang an in den Prozess eingebunden.

Im Workshop haben wir gemeinsam gesammelt, was funktioniert. Jeder hat seine Ideen eingebracht – von Trinkbrunnen in der Stadt bis zu einfachen Maßnahmen im Gästehaus.
Der Leitfaden zeigt, wie mit überschaubarem Aufwand Schattenplätze, Wasserstellen oder Lüftungskonzepte umgesetzt werden können. „Wir wollen, dass Gäste sich auch bei 35 Grad wohlfühlen“, sagt Joa. „Und dass Gastgeber wissen, wie sie das erreichen können.“
Für Joa ist der Tourismus dabei nur ein Teil eines viel größeren Ganzen. „Der Klimawandel betrifft nahezu alle Lebensbereiche“, sagt sie. „Gesundheit, Landwirtschaft, Infrastruktur – wir müssen in allen Bereichen vorsorgen.“ Der Landkreis versteht sich deshalb nicht nur als Förderer einzelner Projekte, sondern als Koordinator, der Akteure und Akteurinnen vernetzt und Wissen teilt.
Ein paar Kilometer nördlich, am Staatsweingut Freiburg, stehen Solarmodule über den Reben. Das VITI-PV-Pilotprojekt verbindet Forschung und Praxis – ein Beispiel dafür, wie Klimaanpassung und Klimaschutz ineinandergreifen. Die Photovoltaikanlagen spenden den Reben Schatten, schützen vor Hagel und Starkregen – und erzeugen gleichzeitig erneuerbare Energie. Die kombinierte Nutzung von Fläche und Energieerzeugung macht den Weinbau widerstandsfähiger – gegen Trockenheit, Hitze und steigende Energiekosten.
Projekte wie dieses zeigen, dass Klimaschutz im Tourismus nicht nur in Hotels oder Destinationen stattfindet, sondern auch in der Landschaft, die ihn trägt – bei Winzern, Landwirten, Energieversorgern.
Die Verbindung von Wissenschaft, Verwaltung und Praxis wird hier sichtbar: Ein Landkreis fördert Anpassungsstrategien, Gastgeber setzen sie um, Forschung liefert die Impulse. „Der Klimawandel betrifft alle Lebensbereiche“, sagt Joa. „Deshalb müssen wir ihn auch gemeinsam gestalten.“
Im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald geschieht das bereits – Schritt für Schritt: in Leitfäden, Workshops, Förderprogrammen und Kooperationen. Was hier entsteht, ist ein Modell für viele Regionen – eine Haltung, die sich nicht in Verzicht übersetzt, sondern in Gestaltung.
Klimaanpassung heißt nicht die Landschaft zu bewahren, wie sie war. Es heißt, ihr den Spielraum zu geben, den sie benötigt, um eine Zukunft zu haben.