
Handlungsfeld 1
mehr erfahrenDer Duft von Gerste liegt in der Luft, warm und süßlich. Im Sudhaus der Brauerei Härle in Leutkirch klirren Flaschen, Dampf steigt auf, Sonnenlicht fällt durch die alten Fenster. Gottfried Härle lehnt an einem Kupferkessel und lächelt: „Bier ist ein schönes Thema. Aber noch schöner ist, wenn man es mit Haltung braut.“
Seit über vierzig Jahren führt er den Familienbetrieb – gemeinsam mit Esther Straub, die heute mit ihm die Geschäfte leitet. Beide eint die Überzeugung, dass unternehmerische Verantwortung über das Produkt hinausgeht. Nachhaltigkeit ist für sie kein Trend, sondern Haltung.

Wir denken nicht in Quartalen, sondern in Generationen. Für uns beginnt Nachhaltigkeit auf dem Acker, nicht im Sudhaus.
Auf einem Feld bei Heckbach wiegt goldene Gerste im Wind. David Weber, Biolandwirt und Partner der Brauerei, geht durch das Korn und reibt die Ähren zwischen den Fingern.
Weber weiß, wohin seine Ernte geht. Die Mälzerei ist zehn Minuten entfernt, der Preis fair, der Kontakt persönlich. „Wir spekulieren nicht mit Braugerste“, erklärt Härle. „Unsere Landwirte und Landwirtinnen bekommen einen festen Preis. Es soll sich lohnen, regional und nachhaltig zu arbeiten.“ Zahlreiche Erzeuger aus dem Allgäu und Oberschwaben beliefern heute die Brauerei – viele seit Jahrzehnten.

Seit fast zwanzig Jahren arbeiten wir mit Härle zusammen. Das ist Partnerschaft auf Augenhöhe – nicht nur wirtschaftlich, sondern menschlich.
Was entsteht, ist ein Kreislauf, der funktioniert: vom Feld über die Mälzerei bis ins Fass. Und er bleibt dort, wo er hingehört – in der Region. „Wenn alle ein Stück Verantwortung übernehmen“, sagt Härle, „dann bleibt der Gewinn – im besten Sinne – hier.“
Nachhaltigkeit heißt bei Härle, Verantwortung über alle Ebenen hinweg. Vom Holz-Hackschnitzel-Heizwerk bis zu den Photovoltaikanlagen auf den Dächern, von Mehrwegflaschen bis zu Elektro-Lkw – jede Entscheidung folgt einem langfristigen Denken. „Unsere Hackschnitzel-Anlage war zehnmal teurer als ein Gaskessel“, sagt Straub. „Aber sie gehört der Zukunft.“ Das Holz stammt von regionalen Forstbetrieben, die Wertschöpfung bleibt in Oberschwaben.
Rund 100.000 Euro fließen jährlich an heimische Lieferanten und Lieferantinnen. Dazu kommen Handwerksbetriebe, die bei Umbauten oder Reparaturen mitarbeiten. Härle rechnet nicht in Amortisationszeiten, sondern in Beziehungen. „Langfristig denkt sich’s leichter“, sagt er. „Unser Gründer hat die Brauerei nicht für sich gebaut, sondern für die Nächsten.“
Auch sozial ist das Unternehmen engagiert: Geflüchtete Menschen arbeiten im Betrieb, Frauen werden gezielt in handwerklichen Berufen gefördert. „Es geht um Menschen, nicht um Zertifikate“, betont Straub. „Wir wollen zeigen, dass Wirtschaft, Umwelt und Gemeinwohl zusammengehen können.“
Vor mehr als zwanzig Jahren hat Härle gemeinsam mit Gastronomen und Gastronominnen sowie Landwirten und Landwirtinnen die Initiative Landzunge gegründet. Heute sind über fünfzig Wirtshäuser in Baden-Württemberg und Bayern Teil des Netzwerks. Sie verpflichten sich, Zutaten aus der Region zu verwenden – Fleisch, Gemüse, Bier, Mineralwasser, alles mit nachvollziehbarer Herkunft.
© Gert KrautbauerHorst Schmidt, Wirt des Landgasthofs Kreuz in Bad Waldsee und Mitgeschäftsführer der Landzunge, bringt es auf den Punkt: „Wir unterstützen uns gegenseitig – Landwirte und Landwirtinnen, Brauereien, Handwerker und Handwerkerinnen. So entsteht ein Kreislauf, der allen nützt.“
Die Kooperation reicht über Landesgrenzen hinweg, vom oberschwäbischen Ravensburg bis ins bayerische Allgäu. Touristen und Touristinnen finden in den Gasthöfen das, was sie suchen: Authentizität.

Wer hierher kommt, will das Echte – Landschaft, Menschen, Geschmack. Man kann die Region mit dem Gaumen schmecken.
Die Brauerei Härle ist heute selbst ein touristischer Anziehungspunkt. Mit ihrem Gasthof, Führungen und Kulturveranstaltungen macht sie sichtbar, wie regionale Wirtschaft funktioniert. Gäste erleben Kreisläufe, nicht Theorien. „Essen und Trinken sind Teil unserer Identität“, sagt Straub. „Wenn wir zeigen, wie Nachhaltigkeit entsteht, machen wir sie erlebbar.“
Neben der ökologischen und sozialen Verantwortung spielt auch Kultur eine Rolle. Konzerte, Kabarett und Kleinkunst finden regelmäßig in der Brauerei statt. „Essen, Trinken und Kultur gehören zusammen“, sagt Härle. „Sie verbinden Menschen und machen unsere Region lebendig.“
Das Handlungsfeld Förderung nachhaltiger Angebote und Wertschöpfung der lokalen Wirtschaft zeigt, wie entscheidend solche Modelle für den Tourismus sind. Wo Betriebe gemeinsam denken – vom Acker bis zum Tisch, vom Produkt bis zur Erfahrung – entsteht eine nachhaltige Ökonomie, die Menschen bindet und Gäste begeistert.

Wir können viel verändern, wenn wir nicht nur über Nachhaltigkeit reden, sondern sie leben. Dann wird aus einem Bier ein Stück Heimat – und aus einer Region ein Zukunftsmodell.