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Handlungsfeld 5

Außenkommunikation und Bewusstseinsbildung

Wie Tourismus zum Lernraum wird

Nachhaltigkeit entsteht nicht allein durch neue Technologien oder politische Programme – sie wächst im Bewusstsein der Menschen. Im Tourismus spielt Kommunikation dabei eine Schlüsselrolle: Sie schafft Verständnis, macht Werte sichtbar und erzählt Geschichten, die berühren. Außenkommunikation und Bewusstseinsbildung sollen Reisende, Betriebe und die Gesellschaft für nachhaltiges Handeln sensibilisieren – nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern durch gelebte Glaubwürdigkeit.

Das Handlungsfeld fördert Projekte, die Nachhaltigkeit verständlich und erfahrbar machen. Entscheidend ist, dass sie nicht nur vermittelt, sondern erlebt wird – als Teil eines gemeinsamen Lernprozesses.

Vom Acker ins Bewusstsein

Der Wind streicht über die Weizenhalme. Auf 2000 Quadratmetern wächst hier, was die Welt ernährt – im Kleinen und im Maßstab der Gerechtigkeit. Anette Wilkening steht auf dem Überlinger Weltacker und deutet auf ein Feldstück mit Weizen.
„Das ist die Fläche, die jedem Menschen zustehen würde, wenn wir die Erde fair teilen“, sagt sie. Kinder laufen zwischen den Beeten hindurch, Erwachsene beugen sich über Schilder. Es riecht nach Erde und Tomatenlaub.

Ich möchte Wissen vermitteln, damit Bewusstsein entstehen kann – und Freude, um mit Freude etwas zu verändern.

Annette Wilkening, Weltacker Überling

Der Weltacker ist eine Station der Biohof-Genuss-Radtour rund um Überlingen – einem Projekt, das zeigt, wie Tourismus zu einem Lernraum werden kann. Entstanden ist die Idee bei Demeter Baden-Württemberg, anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der biologisch-dynamischen Landwirtschaft.
„Wir wollten den Menschen zeigen, wo Bio seinen Ursprung hat und was es bedeutet“, erzählt Christoph Reiber, Geschäftsführer des Landesverbands. Inzwischen führen fünf Routen durch die Bodenseeregion, vorbei an mehr als 30 Betrieben – von Ackerflächen über Mühlen bis zu Hofcafés.

© TMBW / Gert Krautbauer
Biohof-Genuss-Radtouren am Bodensee, B2B Thema Aussenkommunikation und Bewusstseinsbildung, Ueberlinger Weltacker Foto © Gert Krautbauer
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Auf dem Überlinger Weltacker wachsen Getreidesorten wie Roggen und Triticale Seite an Seite – ein begehbares Lehrfeld über Vielfalt und globale Gerechtigkeit
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Blick von oben auf den Überlinger Weltacker: 2000 Quadratmeter – so viel Ackerfläche stünde jedem Menschen zur Verfügung, wenn die weltweiten Ressourcen gerecht verteilt wären
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Auch ohne Führung lässt sich der Überlinger Weltacker erkunden: Informationstafeln laden Besucher und Besucherinnen ein, Pflanzen wie Triticale aus nächster Nähe zu entdecken

Lernen im Vorbeifahren

Zwischen Apfelbäumen und Feldern führt der Radweg über schmale Landstraßen, vorbei an Schildern, die über Biodiversität, Tierwohl und Kreislaufwirtschaft informieren. „Am besten lernt man, wenn man mitten in der Landschaft steht und mit allen Sinnen wahrnimmt, was Landwirtschaft bedeutet“, sagt Reiber. „Dann bleibt das Thema Nachhaltigkeit hängen – nicht als Theorie, sondern als Erfahrung.“

Ein paar Kilometer weiter dröhnen die Walzenstühle. In der Steigmühle bei Engen steht Karl Köhler zwischen Mehlsäcken. Das Gebäude ist über siebzig Jahre alt, die Maschinen laufen seit Jahrzehnten. Besucher:innen dürfen zusehen, wie Getreide zu Mehl wird, Produkte im Hofladen einkaufen – und Fragen stellen, so viele sie wollen.
„Es gibt nichts, was man nicht fragen darf“, sagt Köhler und lacht.

Viele wissen gar nicht mehr, woher ihr Brot kommt. Wenn sie hier stehen, begreifen sie wieder, was Handwerk bedeutet.

Karl Köhler, Müller in der Steigmühle Engen

Die Steigmühle ist ein Stück lebendige Regionalgeschichte – und zugleich ein Ort der Kommunikation. Gäste nehmen Wissen, Mehl und Geschichten mit. „Das verändert das Bewusstsein“, sagt Köhler. „Nicht durch Belehrung, sondern durch Begegnung.“

© TMBW / Gert Krautbauer
In der Steigmühle in Engen prüft Karl Köhler den Mahlgrad des frisch gemahlenen Mehls
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Durch die Sichtfenster der alten Mahlmaschinen kann man in der Steigmühle Engen verfolgen, wie aus Körnern langsam Mehl entsteht
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Im Mühlenladen der Steigmühle Engen nimmt sich Karin Leibel Zeit für Gespräche – hier werden Produkte erklärt und Fragen direkt beantwortet
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Die Steigmühle Engen ist seit 2015 Bio-zertifiziert
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Im Laden der Steigmühle Engen stapeln sich Mehlsäcke in verschiedenen Sorten – alle vor Ort gemahlen und verpackt
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Karin Leibel und Karl Köhler führen die Steigmühle in Engen. In ihrem Betrieb treffen handwerkliche Tradition und ein offener Austausch mit den Gästen zusammen

Genuss als Zugang

Die Tour verbindet Landwirtschaft, Bildung und Tourismus zu einem Erlebnis, das Wissen nicht fordert, sondern einlädt. Auf dem Hofgut Rengoldshausen duftet es nach Kuchen, Familien sitzen im Café, Kinder laufen zwischen Beeten.
„Für uns war es schon immer ein Anliegen, eine Landwirtschaft zu betreiben, die wirklich nachhaltig ist und auf Dauer funktioniert“, sagt Christian Jöckel. Er erklärt, dass Landwirtschaft nur dann zukunftsfähig ist, wenn sie Boden aufbaut, CO₂ speichert und das Klima schützt – mit einer Kreislaufwirtschaft, die Tiere, Pflanzen und Menschen miteinander verbindet.

Dazu setzt der Betrieb auf vielfältige Bildungsangebote – vom Freiwilligen Ökologischen Jahr bis zur Bauernhofpädagogik.

Menschen erreicht man nicht über Konzepte. Man muss ihnen zeigen, was Landwirtschaft im Alltag bedeutet.

Christian Jöckel, Hofgut Rengoldshausen
© TMBW / Gert Krautbauer
Im Hofcafé des Hofguts Rengoldshausen treffen sich Gäste und Gastgeber – serviert werden Speisen aus Zutaten, die direkt vom eigenen Acker stammen

Kommunikation mit Haltung

Auch für Raphael Holzmann vom Deutschen Bodensee Tourismus ist die Biohof-Genuss-Radtour ein Beispiel gelungener Bewusstseinsbildung.
„Bewusstseinsbildung heißt für uns, Wissen zu teilen und Wertschätzung zu fördern“, sagt er. Gemeinsam mit der Biomusterregion Bodensee und den Bioverbänden begleitete seine Organisation das Projekt kommunikativ – mit digitalen Karten, Landingpages und Geschichten über die beteiligten Höfe.

„Wir wollten zeigen, dass Nachhaltigkeit hier kein Zusatz ist, sondern Teil der Identität“, betont Holzmann. „Wenn Gäste verstehen, wie Produkte entstehen, akzeptieren sie auch ihren Wert.“ Kommunikation wird so zur Brücke – zwischen Landwirtschaft und Tourismus, Produzent:innen und Gästen, Wissen und Emotion.

Vom Erzählen zum Handeln

Am Ende einer Tour bleibt nicht nur der Muskelkater. Es bleibt ein anderes Sehen. Wer auf dem Rad zwischen Feldern und Höfen unterwegs war, erkennt im Abendlicht: Nachhaltigkeit ist kein Konzept, sondern eine Haltung – eine, die wächst, wenn man sie erlebt.